BerlinMan 2012 – Der lange Sonntag zum Erfolg

Und was für ein langer. Noch nie in meinem Leben war ich so lange am Stück sportlich unterwegs. Dass meine Nikotin geplagte Lunge und mein 40jähriges Herz das ausgehalten haben grenzt an ein Wunder! Doch für den zweijährlich stattfinden BerlinMan musste ich mich zusammenreissen. In meinem ersten Jahr als Triathlet stand immerhin der Saisonhöhepunkt an, es sollte zum ersten Mal eine Mitteldistanz (2,2km Schwimmen, 90km Rad, 20km Laufen) werden!

Triathlon ist gesünder als Marathon

Ich hatte schon beim meinem ersten Triathlon vor vier Monaten geschrieben, das Triathlon eine andere Hausnummer ist als reines Laufen. Und das war in der Jedermensch Variante. Jetzt habe ich noch dazu die Erfahrung gemacht, wie unterschiedlich der Körper auf die verschiedenen Distanzen reagiert. Und ich muss einfach nur sagen: Wow!
Es ist heute der Tag danach und ich fühle mich zwar ein bisschen müde und schlapp, bin aber schon im Zug unterwegs nach Hamburg. Die befürchtete Steifigkeit, das Treppenrückwärtslaufen, nicht aus dem Bett kommen, Muskelkater, Rückenschmerzen, Blasen an den Füßen und, und, und … was man sonst so kennt, ist nicht da. Müdigkeit ja, schlaffe Beine auch. So muss ich also schon resümieren dass im Verhältniss zum Marathon mir Triathlon gesünder vorkommt. Die Belastung verteilt sich halt besser auf den ganzen Körper.

Blicken wir zurück

Ursprünglich war für dieses Jahr ja was anderes geplant. Erinnern wir uns an Dezember 2011, wo ich mir aus heiterem Himmel einen Innenmenisskussriß links zugezogen hab. Bei einem lockeren Läufchen. Zuerst eine richtige Diagnose durch den Hausarzt mit Überweisung an ein Krankenhaus, wo der auf Drogen stehende und übermüdete Unfalldoc dann doch eine Fehldiagnose stellt, wo es hieß ich hätte nur eine Bänderdehnung. Nach einem sehr langsam Heilungsprozess für eine Bänderdehnung (wie sollte es auch anders sein) endlich ein besonnener Vertretungsarzt der mich endlich zum MRT überweist.  Als ich dann mit den Bildern da stehe, empfängt mich der operationswütige Stammarzt der sich nicht mal die Bilder anschaut einen kurzen Blick auf das Diagnosenschreiben schickt  und mich zur OP drängt! Am besten morgen. Ich bin schon fast bereit ja  zu sagen, bis ihm ein kleiner Fehler passiert. Er sagt: „Das habe ich Ihnen doch schon alles beim letzten Mal gesagt.“ — Hallo, denke ich mir. Wir sehen uns heute zum ersten Mal. Zuvor war ich beim Vertretungsarzt. In der Folge suche ich Dr. Merretig (selber Triathlet) auf, zahle privat und lass mich beraten. Seine Aussage, den Riß kann man, muss aber nicht operieren. Ich habe folgende Optionen:

1) Gesundheitssportler werden und Marathon und ähnliches abschreiben

2) wenn ich weiter  auf dem Niveau trainieren will, soll ich auf Triathlon umsteigen

3 ) Ich soll mich auf die Schulmedizin verlassen und unters Messer, dann entscheiden was geht.

Der Ausgang ist bekannt. Raucherlunge Milosz wurde also Triathlet. Ursprünglich hatte ich ja noch gehofft den Marathon Ende September laufen zu können, aber das Knie schickt doch ab und zu ein paar kleine Warnzeichen, die ich jetzt nicht ignoriere. Lauftechnisch bin ich bin jetzt wieder soweit, dass ich einen Halbmarathon problemlos durchlaufen kann. Besonders seitdem ich die Aspirin und Voltaren Pillen weglasse und meinen Körper wieder spüre beim Sport. Aber wie schon im letzten Post geschrieben, habe ich vorsichtshalber Tempodauerläufe und Intervalle und Koppeltraining weg gelassen. Die Umfänge wurden über das Jahr schon größer, aber wie gesagt weit unter dem was man für eine Mitteldistanz machen sollte.

Aber nun zum BerlinMan

So kam ich nun eher mäßig vorbereitet zum zu meiner ersten Mitteldistanz. Habe in der gesamten Woche davor fast nix gemacht. Hatte ja auch meinen 40sten am Dienstag. Da gab es also ein paar Bier mehr. Am Freitag war ich 22km auf der Rolle, aber mehr um die Radeinstellungen zu verfeinern und Samstag war ich mit meinem Sohn schwimmen, wo ich nebenbei ein paar 100m Bahnen gezogen habe. Die Aufregung am vorabend war auch groß, da gabs dann auch ein paar Bier.. Naja, bin dann wohl so um 1 Uhr nachts eingepennt. Um 5:30 klingelte dann auch schon wieder der Wecker. Alle Sachen waren schon vorbereitet. Frühstück habe ich mir auch schon am Abend gemacht gehabt. Falls sich manche fragen, wo denn Frau Doktor war, so sei bemerkt, dass ich bis auf weiteres wieder bei mir wohnen will. Die Zukunft ist ungeschrieben.

So schlüpfte ich morgens ohne weiblichen Beistand in die zurechtgelegten Klamotten, sprang aufs Rad und begab mich mit den Öffis nach Wannsee. Die Fahrt dauert lange und ich wurde wieder müde. Zumal ich beim Umsteigen gut 25 Minuten warten musste. Die S-Bahn ist ja noch im Wochenendnachtmodus. Da es kalt war, und ich mich ein bisschen in Stimmung bringen wollte, hab ich angefangen einsam auf dem Bahnsteig zu tanzen zur Musik in meinem mp3 Player. Aber einsam war ich wohl nur die ersten Minuten, da langsam andere Triathleten auf dem Bahnsteig auftauchten. Nach dem üblichen Plausch im Zug, wo ich meine bescheidenen Ambitionen von hoffentlich unter 6h bekräftige, folgt der Checkin in die Wechselzone. Mittlerweile ist mir alles vertraut, und ich schaffe alles in einer konzentrierten Aufgeregtheit. Dass ich aufgeregt bin merke ich daran, dass ich permanent schlechte Witze über meinen Einschlafbierkonsum am Vorabend mache. Achim, den ich im Vorfeld der Vorbereitung mit meinen Ängsten und Sticheleien so schön motiviert habe, findet sogar Erwähnung dafür in seiner Kolumne. In der Wechselzone begegnen mir noch diverse andere Sportsfreunde (Joachim, Alex, Jan…) nur Bloggerfreundin Nadin entdecke ich nicht.

SWIM

Um 08:10 gehen wir alte Männer gemeinsam ins Wasser, ich bin in der dritten Startwelle. Für das Schwimmen habe ich mir Ruhe und Konzentration vorgenommen. Alles ruhig angehen lassen, es wird schließlich noch ein langer Tag!

Und so passiert es auch, das Starterfeld ist breit und es ist genug Platz da ohne dass man sich zu viel treten und hauen lassen muss. Aber auch da wo es eng wird schaffe ich es ruhig weiter zu schwimmen. Bis auf das übliche Gedränge bei den Bojen, wo ich wie üblich ein bisschen Zeit lasse, kann ich gut unter einer 2min Pace auf 100m schwimmen, auch wenn ich nie versucht habe am Anschlag zu schwimmen. Ich muss auch nie Brust schwimmen. Und am Steg angekommen, denke ich mir dass da von der Distanz her noch mehr drin wäre.

Aus dem Wasser geht es dann die gefürchteten 90 Stufen hoch zur Wechselzone. Die gehe ich ganz gemütlich hoch und trabe erst kurz vor der Wechselzone an. Wie gesagt, es wird noch ein langer Tag und als nächstes folgt ja meine schwächste Disziplin.

T1

Neo macht keine Probleme, Socken weggelassen, kleines Gedränge beim Aufsteigen, aber alles easy.

BIKE

Hier war doppelt Ruhe angesagt. Ich habe die Havelchaussee nur ein einziges Mal vorher mit 4 Runden absolviert. Und das in die andere (leichtere Richtung). Auch habe ich damals das Kopfsteinpflasterstück umfahren. Es sei auch hier nochmal an den Mangel an längeren Ausfahrten erinnert. Den Willi zum Grunewaldturm hoch im leichtesten Gang und einfach mal erdulden, dass man überholt wird. Runter dann kurz ausruhen und mit Mut Speed aufnehmen für die nächste Steigung. Kopfsteinpflaster als Massage für die Muskulatur nutzen. Auf der Krone in den Ausdauermodus schalten und 2km bevor es wieder auf die Havelchaussee geht noch schnell ein Gel nehmen. Trinken sobald der Körper das leichteste Signal dazu gibt. Und es ging gut. Erst in der letzten Runde merke ich Ermüdungserscheinungen in der Muskulatur und trete ein bisschen lockerer. Aber das kann ich auch, denn die Zeit bis dahin ist weit über meinen Erwartungen! 🙂

Der Sturz

Letzte Runde auf der Krone passiert es dann. Ich überrunde Joachim. Hat er gestern noch nicht noch auf FB geschrieben, wenn ich mir weiter so in die Hosen mache, wird er mich auf jeden Fall einsacken. Ich drehe mich noch um und rufe was mit Ihm geht. Er ruft zurück: Vorsicht, ich fahre von der Bahn ab. Und so kommt’s auch, ich bin auf einmal neben der Strasse, ziehe wieder rauf, dann wieder runter und wieder rauf und wieder runter und wieder rauf und beende das Slalomkunststück mit einem Sturz auf die linke Seite. Es macht Rumms! Ich weiß erst mal nicht wie mir geschieht! Automatisch stehe ich sofort auf um nicht von den hinteren mir kommenden Sportlern angefahren zu werden. Der erste Gedanke, wo habe ich Schmerzen? Der zweite, ist das Bike heil? Schmerzen habe ich, aber nur äußerlich, die Gelenke bewegen sich ohne Warnsignale. Das Bike scheint heil. Ich springe aufs Rad, und will wieder los, aber das Rad will erst mal wieder Richtung Graben, also nochmal. Beim zweiten Mal klappt es besser. Jetzt in die Cleats kommen.. OK! Treten…, was sagt das Antriebssystem, springt die Kette raus? Nein. Puuh OK. Ups, aber der Aerolenker ist verbogen und ich kann bis auf drei Gänge hinten nicht mehr schalten. Aber egal. Antreten wird dadurch ein bisschen schwieriger, aber ich bin ja nur noch 8km vor dem Ziel. Eine Star Wars Szene (bei 7:54) geht mir durch den Kopf. „Bin fast da“. Jetzt nur nicht abschießen lassen. So trudele ich in Trance und mit unbändigem Willen die letzten 8 km in die Wechselzone….

T2

… wo mich mein Sohn und seine Mutter anfeuern.

RUN

Am Anfang denke ich noch alles ist ok, aber ich schaffe es nicht wirklich an die insgeheim erhoffte 5er Pace ranzulaufen. Bei jedem Schritt merke ich dass meine Eingeweide sich sträuben. Das Gefühl fast wie bei einem Seitenstechen, nur mit leichter Übelkeit. Nachdem ich auch noch seltsame Geräusche beim Laufen mache (Stöhnatmung), ohne das mein Puls in einem dafür rechtfertigendem Bereich wäre, diagnostiziere ich mir also einen leichten Schock. Der Körper wehrt sich gegen mich. Hier rächt sich jetzt die schlechte Vorbereitung. Die Muskulatur scheint noch halbwegs in Ordnung, aber aus der Körpermitte kommt keine Kraft in die Beine, so als ob das Blut sich lieber zurückziehen möchte aus den Extremitäten. Ich versuche mich zu beruhigen und gehe ein paar Schritte bei allen Verpflegungspunkten. Hab meine Gels auch in der Wechselzone liegen gelassen, und steige jetzt auf Cola um.

Ich lauf immer langsamer. Um mich aufzumuntern versuche ich jetzt jeden Stöhner in einem anderen Ton von mir zu geben. So kommt am Anfang eine kleine Tonleiter zusammen, irgendwann bin ich wieder bei der Star Wars Melodie. Nach der dritten Runde (also eineinhalb Stunden später) wird es langsam besser und ich werde wieder schneller, aber da bin ich schon mit einer 6er Pace zufrieden. Ich muss immerhin nicht mehr an den Verpflegungspunkten gehen. Für den letzten KM kann ich mich noch zu einer 5:24er Pace motivieren und es reicht auch zu einem kleinem Schlussspurt.

Und dann habe ich es geschafft.

Ich bin ein BerlinMan!

5:30:49 0:40:07(307) 2:52:41(339) 1:58:01(405)
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2 Responses to BerlinMan 2012 – Der lange Sonntag zum Erfolg

  1. Andreas says:

    Toll! Glückwunsch, klasse, dass du trotz Sturz durchgehalten hast!

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