Saisonbeginn – Rock im Britz!

Sonntag morgens 07:30, Deutschland, Berlin, Pankow an der Grenze zum Prenzlberg. Es klingelt an der Tür. Des Sohnes Mutter erscheint wie üblich überpünktlich um die Frucht meiner Lenden wieder zu sich zu nehmen. Wenn man sich 20 Jahre kennt, muss man zum Glück nicht mehr viel miteinander reden, vor allem nicht morgens, vor allem nicht nach einer Ehe auch wenn man sich (nur) noch sympathisch findet… oder eigentlich grade deswegen.

Ich wanke mit einer Banane in der Hand und einem Ingwertee mit Zitrone in der anderen zum PC, das nennt sich bei mir Frühstück. Oooh wie geil, Sohnemann hat das Müsli nicht aufgegessen und die Milchschnitte übriggelassen. Während ich gefühlten Mundraub an meinem Sohn begehe poste ich schnell auf facebook.

Saisonbeginn
„boah eh… erster Wettkampf in diesem Jahr. Obwohl ich den eh nur als Trainingsläufchen mache, habe ich grade mal zwei Stunden geschlafen heute Nacht. Vielleicht hätte ich doch nicht bis 6 Uhr morgens abrocken sollen am DO. Mein Biorhythmus hat sich noch nicht zurückgestellt vom Partymode!“

Jetzt seien wir ehrlich, wenn man sich seit drei Monaten mit einer Innenmeniskusläsion rumschlägt, und nicht viel laufen kann, muss man sich andere Annehmlichkeiten suchen. So ein Rocker Singleleben hat Vorteile und Nachteile. Die süße kleine vom Donnerstagabend gehört zu den Vorteilen. Mit zwei Stunden Schlaf alleine auf dem Moped bei 3°C zu meinen ersten quasiparalympischen Wettkampf ihn diesem Jahr zu fahren, dann zu den Nachteilen.

Es ist ja auch noch am Anfang der Saison, und so nehme ich mir vor am heutigen Tag unter 50min zu bleiben. Bei grade mal 12 Laufeinheiten und 140 Kilometern IN DIESEM JAHR, also in zwei Monaten (sowas mache ich in der Marathon Vorbereitung in einer Woche), kann man die Erwartungen nicht tief genug stapeln. Sub45 wäre schon spitze. Mein erster „Tempotest“ in diesem Jahr vom Dienstag (6*400m im 4:10 Pace) lässt mich aber auch vor dieser Zahl fürchten. Irgendwelche Flashbacks vom letzten Jahr in Form sub40 werden sofort als Halluzination aus dem Kopf verbannt!

Zu Hause noch schnell eine Voltaren eingeschmissen, damit man das Knie nicht so merkt und vor lauter Doping dann den Garmin Brustgurt zu Hause vergessen. 30Minuten brauche ich bei ergrautem morgendlichem Wetter in den Britzer Garten. Zum Glück habe ich drei Paar Handschuhe mitgenommen, es ward arg kalt auf den leeren Straßen. Aber kaum angekommen wurde mir doch wieder warm ums Herz, und mir wurde wieder bewusst warum es so schön ist Läufer zu sein. Diese Horden von aktiven netten fitten Menschen verströmen einfach gute Laune.

Und gleich am Anfang auf Laufkumpel Oliver Spohn getroffen, wir sind jetzt in einer AK, er ist jetzt also eine liebgewonnene Konkurrenz. Kurzes Einlaufen, er ist jetzt beim SCC, trainiert in der Leistungsgruppe… Grmpf!
Aber er hat gestern ein nettes Abendesen gehabt, wo es auch „Wein“ gab. Na also, geht doch! Ich sag, ja er ist mir sehr sympathisch!

Danach Augen aufgesperrt und nach Bloggerfreunden Marek, Nadine, Andreas und Gerald Ausschau gehalten. Nochmal kurz mit Nadin einlaufen und auf die Tränendrüse gedrückt, Knie aua, Trainingsrückstand, etc. und so. Ja, Männer sind wehleidig, und ich bin da ein Prachtexemplar!
Wenigstens konnte ich ein bisschen mit meiner neuen Laufuhr protzen. Ist ja quasi auch der Ferrari unter den Laufuhren. — Nein, ich kompensiere hier nichts! Ich brauch das Ding wirklich!

Vor dem Start beim Pinkeln noch Christian Karbe getroffen, na da sind wir doch wieder alle beieinander! 🙂
Und schon ging‘s los! Ganze drei Meter war ich vor Marek, und dann vermeinte ich nur noch Staubwolke zu sehen. Der hat so eine Traumform grade! War sogar schneller als Christian heute! Alle Achtung.


Da ich ja meinen Pulsgurt vergessen hatte, musste ich also rein nach Körpergefühl laufen, so sagte ich mir ständig langsamer, langsamer, weil die Uhr auf dem ersten km eine Pace von 4:11 anzeigte, aber das war wohl die Wirkung von der zweiten Voltaren, die ich noch beim Einlaufen eingeschmissen habe. KM zwei und drei waren dann wieder normal.
Bei km drei, lächelt mich ein hübsches Gesicht von der Seite an:
Nadine: “Wolltest Du nicht langsamer laufen?” – Ich: “Mach ich doch, Du überholst mich doch grade …” –> Super! War ich doch gleich wieder demotiviert und mein Puls war auch ganz durcheinander! 😛
Einen KM lang versuche ich Nadin zumindest in Sichtweite zu halten, dann geb ich es auf.
KM5, nach dem Bergchen, lächelt mich das zweite Gesicht an. Diesmal von der anderen Seite. Gerald: „Was geht? Warum so langsam“ Ich sag nix, glaube ich … oder auch „$#§?µ&%“!
KM8, ein blinder Läufer zieht mit seinem Guide an mir vorbei. Der Guide sagt, „Da ist einer in schwarz, den holen wir uns noch!“ Da sag ich schon gar nix mehr. Da kann ich nicht mehr sprechen! Aber Hochachtung habe ich!
Auf dem letzten KM hole ich noch alles raus was geht, verliere aber wieder gegen den nächsten der dagegenhält.

Dann Ziel: Uhr sagt 43:16. Na, das rocked doch! Nadin ist seit zwei Minuten im Ziel, Gerald seit einer.
Im Vergleich zum letzten Jahr, wo ich zwar mit einer Erkältung gelaufen bin, aber schon zwei Monate gut im Training war, sogar eine Minute schneller.
Wenn das also meine Grundkondition ist, dann kann die Saison eigentlich ja kommen, solange das Knie nicht schlechter wird.

Also, war doch ein eigentlich ein cooler Lauf, oder?
Der nächste ist ja auch schon in zwei Wochen!

P.S.
Hier nochmal die Gang mit Eiswürfel:

Gerald, Milosz, Nadin, Marek, Andreas

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